Zu- und Hinhören?

Veröffentlicht am 27. Juli 2024 um 10:10

Warum es einen Unterschied macht ob ich zuhöre oder hinhöre. Führungskräfte sollte das können, was Kinder spielerisch und von Natur aus machen. Zum (nach)lesen oder als Audio hier auf dem Blog

 

Diese Geschichte handelt vom Zu- und Hinhören.

Von Oliver Groß 2015©

Es war mal wieder so einer dieser verhexten oder sollte es besser – verflixten - Tage heißen? Hannah stürmte ins Haus und warf die Schultasche im hohen Bogen ins Eck. „Das ist so gemein, so blöd,“ schimpfte sie vor sich hin, „nur wegen sowas habe ich keine eins bekommen!“

Laut knallte die Kühlschranktür, was schon ein Kunststück für sich war.

Der Großvater, der die ganze Szene seelenruhig sitzend am Küchentisch verfolgt hatte, meinte: „Na, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“

„Das musst du dir mal vorstellen,“ schimpfte Hannah laut,

“meine Englischlehrerin hat mir einen Fehler angekreuzt, obwohl meine Antwort zu 100% richtig ist“!

„Oh, darf ich mal sehen“, fragte der Großvater.

Während die Enkelin die Arbeit aus dem Ranzen kramte grummelte sie weiter: „Ich habe listen to mit hinhören übersetzt. Was macht sie, streicht es durch und schreibt mit rot – zuhören ist umgangssprachlich besser getroffen!

„Mhh“

„Ach Opa, das verstehst du sowieso nicht. Außerdem hast du selbst mal gesagt, dass du nicht so gut Englisch kannst“.

„Was verstehe ich denn nicht?“ fragte der Opa und schaute seine Enkelin verständnisvoll an.

Zuhören, hinhören das ist doch kleinlich“! meinte Hannah trotzig.

„Schau,“ sprach der Großvater, „eigentlich wollte ich dir, als du in die Küche kamst  zuhören..., aber es war gut erst mal hinzuhören“.

„Äh, jetzt machst du auch noch einen Unterschied. Opa, das ist doch spießig, ob ich nun zuhören oder hinhören sage, das ist doch dasselbe …. oder das gleiche…. Ach, du hast ja keine Ahnung!“

„Es ist weder dasselbe noch das gleiche“, meinte der Großvater ruhig und fuhr fort. „Ja, manchmal höre ich dir zu- und manchmal muss ich erst hinhören, um dir zuhören zu können - und wieder ein anderes Mal muss ich aufpassen, dass ich beim Zuhören das Hinhören nicht überhöre.

Hannah starrte ihren Opa fassungslos an, verzieht dabei ihr Gesicht und meint: „Opa, das ist jetzt schon ein wenig wirr, oder?“

„Ja“ lachte er, „ich brauchte auch einige Zeit, um den Unterschied zu lernen“.

„Du meinst das wirklich ernst, oder?“

„Komm, setz dich, ich will dir erklären worin der Unterschied besteht“.

Hannah setzte sich neben ihren Großvater. „Weißt du“, begann er, „als du vorhin aus der Schule kamst, da hörte ich hin – also in dich hinein und so verstand ich sofort, dass du unglücklich, traurig und enttäuscht warst…“

„Opa“, unterbrach Hannah. „Ich habe mit Schimpfwörtern nur so um mich geschmissen, den Rucksack geworfen, die Türen geknallt und zu dir“, sagte sie jetzt mit einem übertrieben gespielten Augenaufschlag, „war ich auch nicht nett…und das nennst du unglücklich, traurig und enttäuscht?“

„Siehst du, das war der andere Teil des Hinhörens. Da habe ich nämlich hinweggehört, weil ich weiß, dass du das nicht böse gemeint hast. Aber die Wut wollte raus und da sagt man manchmal Sachen, die man gar nicht sagen will – ich kenne das!“

Hannah überlegte eine Weile. „Hinhören heißt also entweder Hineinhören, also hören wie es dem anderen geht oder hinweghören, weil die Wut manchmal Sachen sagt, die man eigentlich nicht sagen will. Aber warum bist du dir so sicher, dass ich das nicht sagen wollte?“

„Weil ich dir auch zugehört habe und dadurch genau erfahren konnte, worum es dir eigentlich geht, nämlich, dass deine Lehrerin dir das nicht erklären wollte und sie scheinbar sehr kleinlich ist. Obwohl,“ der Großvater machte eine Pause, „vielleicht ist sie gar nicht kleinlich und kann es dir erklären – hast du sie denn darauf angesprochen?“

„Also, das wollte ich…aber…ehrlich? Daran habe ich nicht gedacht. Das heißt aber auch, wenn ich sie frage und sie erklärt es mir nicht, dann hat sie zwar zu- aber nicht hingehört, richtig?“

„Richtig“, Opa lachte, „ich wusste, dass du das verstehst!“

Hannah schaute jetzt ganz ernst und sagte: „Danke Opa, jetzt bin ich gar nicht mehr so sauer“.

„Das ist gut“, brummte Großvater zufrieden.

„Opa“, Hannah sprang auf und drückte ihn ganz fest, „wenn du alt bist, also richtig alt, werde ich immer ganz viel hinhören, wenn ich dir zuhöre - versprochen“.

 

Oliver Groß 2015© aus 1x Leben süß-sauer, bitte!

 

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